(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894
Ich bin es müd’, mit thöricht
milden Händen
Auf starre Felsen Himmelssaat
zu säen,
An dumpfe Herzen, die mich
nicht verstehen,
Noch länger Lied und Liebe zu
verschwenden.
Zur Einsamkeit will ich den
Schritt nun wenden,
Wo Laute Gottes durch die
Stille wehen,
Und dir, Natur! du mächtigste
der Feeen,
Des Herzens letzte Opfergabe
spenden.
Du bist das Paradies, das nie
verlorne!
Mit sanftem Friedenshauch
heilst du die Seelen,
Wenn sie geritzt vom scharfen
Lebensdorne.
Nur dir allein will ich mein
Leid erzählen,
Und träumend sitzen an dem
Waldesborne
Und seinem Rauschen meinen
Sang vermählen.
(Elisabeth
Glück)
1815 - 1894
Das ist mein Stolz, daß ich in
diesen Tagen,
Wo feige Rücksicht so viel
Zungen bindet,
Und fester stets das Reich des
Trugs begründet,
Der Wahrheit leuchtend Banner
kühn getragen;
Daß treu mein Herz für Recht
und Pflicht geschlagen,
Dem folgend, was sich göttlich
ihm verkündet,
Und nicht, ob es in Pactols
Wellen mündet?
Mit schnödem Wuchersinn je
mochte fragen;
Daß ich, gehaßt von Jenen,
deren Streben
In meinem Innersten ich muß
verdammen,
Weil sie der freien Psyche Fesseln
weben;
Daß ich geliebt von dir, den
Schmerzenflammen
Geheiligt und geweiht zu
höh’rem Leben,
Und daß in dir mir Welt und
Sein verschwammen!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894
O laß sie dich nicht reu’n,
die tiefe Wunde,
Die du der Brust der Dichterin
geschlagen!
Fern sei’s von mir, dich darum
anzuklagen,
Denn Gottes Walten war mit dir
im Bunde!
Oft gab mir mein geheimstes
Ahnen Kunde:
„Die kühn den Kampf um ew’ge
Güter wagen,
Sie dürfen keine ird’schen
Fesseln tragen!“
Und klar wie nie fühl’ ich’s
in dieser Stunde,
So brich denn ein, du letzte
Kerkerwand!
Auf Gottes Armen will ich
aufwärts schweben –
Du warst das Werkzeug nur in
seiner Hand.
Ein höh’res Ziel bestimmt er
meinem Leben,
Als eitler Liebe bald verglomm’nen
Brand,
Und ihm, nicht dir, füg’ ich
mich nun ergeben.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894
Ein
Lied von mir – was soll’s in diesen Blättern,
Von
heitern Freundeshänden vollgeschrieben?
Was sollen
in dem Kreise deiner Lieben
Hier
dieser Grabschrift dunkel starre Lettern? –
Sahst
du die Gemse je den Fels erklettern,
Von
heißer Angst verzweifelnd fortgetrieben,
Bis
ihr kein and’rer Ausweg mehr geblieben,
Als
sich im Schwindelsturze zu zerschmettern?
So hat
auch mir von allen, allen Wegen
Der
Jäger Leben keinen frei gelassen
Und
treibt mich nun dem Jäger Tod entgegen.
O
sprich! wenn mich einst seine Arme fassen,
Schenkst
du mir dann wohl frommen Mitleidssegen
In
einem Blicke, einem thränennassen? -
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Es
schwebt dein Lied mit heilig reinen Schwingen
Sanft tröstend über dunkeln
Zweifelswogen,
Kein Sturm hat jemals es
hinabgezogen, -
Er konnte nicht zu deiner Höhe
dringen.
Dein frommer Sinn entging des
Lebens Schlingen,
Von keinem Wahnbild ward dein
Aug’ betrogen,
Du sah’st, aufblickend zu dem
Himmelsbogen,
Die Welt in Gott und Gott in
allen Dingen.
Als Liebesgabe streutest du
die Spende
Der zarten Lieder aus, in
deren Fülle
Sich Engelszüge hold verschämt
entschleiern.
Und lieblich wie dein Leben
war dein Ende:
An einem Sabbathmorgen
schiedst du stille,
Den Tag des Herrn in seinem
Zelt zu feiern.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Ein Morgen
war’s wie Gott ihn oft noch sende,
Als ich betrat die
kunstgeweihte Halle,
Wo du, entfernt vom müß’gen
Menschenschwalle,
Still nährest der Begeist’rung
heil’ge Brände.
Gewalt’ge Bilder schmückten
rings die Wände:
Die Geisterschlacht auf
luft’gem Wolkenwalle,
Jerusalem in seinem
Todesfalle,
Die edlen Werke deiner weisen
Hände.
Ein schönes Bild in der
Verklärung Rahmen
Standst du vor mir; da ward
mein Herz vollkommen
Von Ahnungen, die trüb es
überkamen.
Als ich dich sah von Ruhm und
Reiz umglommen,
Dacht’ ich des Malers mit den
Engelsnamen,
Den Gott geliebt und früh zu
sich genommen.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Oft
hörte man in vor’ger Zeit mich klagen
In trostlos bangem,
schmerzlichem Vermissen,
Daß Gottes Schluß so früh dich
mir entrissen,
Daß sie so früh zu Grabe dich
getragen.
Daß deine Brust, die treue,
ausgeschlagen,
Die einstens war mein sanftes
Ruhekissen;
Daß in des Lebens wirren
Finsternissen
Ich nun vergeblich muß nach
Liebe fragen.
Doch jetzt, wo wild’re Stürme
mich umschauern,
Als früher jemals meine Seele
trafen,
Kann ich dein Scheiden
nimmermehr bedauern.
Trost ist mir’s, daß du schon
im sichern Hafen,
Bedenk ich, welchen Schmerz
und welches Trauern
In deiner stillen Gruft du darfst
verschlafen.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 O
sprecht mir nicht bedauernd von den Qualen,
Die Dante’s
kühnen Dichtergeist durchdrungen,
Von denen Tasso’s trübes Herz bezwungen,
Die sich auf Byron’s schönem Antlitz malen.
Denn Purpur liegt auf ihren
Wundermalen,
Was sie geahnt, das haben sie
errungen,
Es tönt ihr ew’ges Lied von
allen Zungen,
Ihr Ruhm wird licht durch alle
Zeiten strahlen.
Viel tief’res Mitleid macht
mein Herz erkranken,
Gedenk’ ich Jener, denen das
Verhängniß
Den freien Geist gebannt in starre
Schranken;
Die ruhmlos fielen in des
Kampf’s Bedrängniß,
Dem Stummen gleich, der
rettende Gedanken
Verkerkert fühlt in seines
Mund’s Gefängniß!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Und
glaubst du denn, daß die geheimen Wehen,
Die heimlich rauh in deiner
Brust erwachten,
Ob du sie auch magst zu
verbergen trachten,
Der Freundin treu besorgtem
Blick entgehen?
Der Andern Mitleid magst du
stolz verschmähen,
Doch meine Liebe darfst du
nicht verachten;
Wie groß die Schmerzen auch
die dich umnachten,
Ich litt genug, um alle zu
verstehen.
Allein empfand’st du je in dir
mit Grauen,
Daß sich die finstern Geister
mächt’ger regen,
Wenn sie in Worten sich
verkörpert schauen;
Dann will ich gern, als
stillen Thränensegen,
Auf die verschwieg’nen Wunden
Balsam thauen
Und schweigend den geliebten
Kranken pflegen.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Gefallen
mögen sich die Schwachen, Feigen,
Im listigen Verbergen und
Verhehlen;
Verstohl’nes Glück mag ihren
matten Seelen
Den stärkren Reiz, die
schärf’re Würze zeigen.
Mich aber ängstigt dieses
dumpfe Schweigen,
Dem Schwäch’ und Feigheit sich
so gern vermählen,
Mit freud’gem Stolz möcht’ ich
der Welt erzählen,
Daß mein du bist und daß ich
dir zu eigen.
Und dennoch nein! Nie darf von
unserm Munde
Das Gluthgeständniß uns’rer
Liebe flieh’n,
Die Welt begriffe nicht so
fremde Kunde!
Noch hat sie keinem
Glücklichen verzieh’n;
Darum, mein Freund, sing’ ich
von unserm Bunde
In nur von dir verstandnen
Melodien!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Sie
suchen rauh, mit feindlichen Gewalten,
Den frommen Geist der Liebe zu
bezwingen;
Doch was sie wünschen, werden
sie’s vollbringen?
Nur brechen kann mein Herz,
doch nicht erkalten!
Des Trennungsabgrunds
schauerliche Spalten
Weiß der Gedanke rasch zu
überspringen;
Es eilt mein Lied zu dir auf
mächt’gen Schwingen,
Die sich im Sturm noch
kräftiger entfalten.
O laß sie Müh’ und Arbeit
d’ran verschwenden,
Uns zu entreißen was der Herr
uns gab!
Er kann ihr finstres Werk zum
Heile wenden.
Und bricht dereinst der letzte
Hoffnungsstab
Auf rauhem Dornenpfad in
unsern Händen:
So bleibt uns noch die Liebe
und – das Grab!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Wenn ich
die Briefe sehnend nach dir wende,
In deinem Anschau’n selig mich
vernichte,
Schreckt mich ein Zug in
deinem Angesichte,
Der mahnend spricht von nahem,
dunklem Ende.
Da falte ich in wilder Angst
die Hände,
Erliegend dieser Ahnung
Gramgewichte,
Und flehend ruf ich auf zum
ew’gen Lichte:
O jeden Jammer, mir nicht
diesen sende!
Doch mag auch nahe Trennung
uns bedräuen,
Mein Herz wird d’rum nicht von
dir weggetrieben –
Es ist zu stolz, um künft’ge
Qual zu scheuen!
Nur tiefer wird der Drang ihm
eingeschrieben,
Dich bis an’s Ende tröstend zu
erfreuen,
Den Scheidenden noch
zärtlicher zu lieben!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 So
naht die stille Nacht in dunklen Flören,
Die Sterne gleiten hin im
lichten Reigen
Und himmlisch süße
Traumgestalten steigen
Vor meinem Sinne auf in holden
Chören.
Kein irdisch geller Laut ist
mehr zu hören
Rauh mahnend, daß ich noch der
Erde eigen,
Soll ich dies tiefe,
ahnungsvolle schweigen
Mit meines Liebes Wonn-und
Wehruf stören?
O laß mich lieber wort- und
zeichenlos
Ein freier Geist zu deinem
Geiste treten,
Bis unser Sein in Gottes Meer
zerfloß!
Laß, was des Tages Stürme
niedermähten,
Mich still verpflanzen in des
Jenseits Schooß,
In nächt’ger Einsamkeit mich
für dich beten.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Wohl
dir, der du aus edlerm Stamm entsprossen,
Dein Herz mit keinem
Erdenwunsch befrachtest!
Doch weil so hehr das Ziel,
nach dem du trachtest,
So suche unter Höhern die
Genossen!
Mein Herz ist von zu heißem
Blut durchflossen,
Von Flammen, die du selbst in
ihm entfachtest,
Und was du erdentrückten Sinn
verachtest,
Mit festen Banden hält es mich
umschlossen!
Wir knieen an verschied’nem
Opferherde;
Dem lichten Jenseits fühlst du
dich verbündet,
Ich fühle mich als Kind der
dunklen Erde!
Fremd bleibt mir das, was dein
gemüth entzündet,
Und dir erklärt nicht meine
Gramgeberde,
Was still ein brechend
Menschenherz empfindet!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Mit
rauhem Wort hast du mein Herz versehrt,
Der gläub’gen Seele schlugst
zu Zweifelwunden,
Bis ich dem trüben Bündnis
mich entwunden,
Das sich von Gram und
Bitterkeit genährt.
Jetzt hat die Trennung
Sanftmuth mich gelehrt,
Der früh’re Groll ist nun von
mir geschwunden,
Ich denke nur der ewig lichten
Stunden,
Die uns zum Himmel diese Welt
verklärt.
Vergessen hab’ ich, daß du dem
Gemüthe,
Deß liebvoll Strebens war,
sich dir zu einen,
Zerstört der Freunde und der
Hoffnung Blüthe:
Ich weiß nur mehr, wie ich voreinst
an deinen
Entflammten Lippen wonneselig
glühte –
Und wieder muß ich schmerzlich
um dich weinen!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 So
hast du wieder dich, mein Herz, betrogen,
Andichtend kälterm Herzen dein
Empfinden,
Und siehst nun trauernd und
verzagend schwinden
Die schöne Hoffnung, die du
groß gezogen.
Wie Noah’s Taube warst du
ausgeflogen,
Dich mit der Erde wieder zu
verbinden;
Doch ach! da war kein Ölzweig
aufzufinden,
Und finster braus’ten noch die
kalten Wogen.
O gib es endlich auf, mit
Gramgeberden
Nach dem zu streben, was nicht
zu erlangen,
Weil es das Glück der Sel’gen
wär’ auf Erden!
Dein Loos, so lang die Welt
dich hält gefangen,
Ist mehr zu lieben, als
geliebt zu werden,
Und auszuspenden mehr, als zu
empfangen!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Tief
schmerzlich hat es sonst mein Herz erschüttert,
Sah ich, wie von dem rauhen
Sturmesreigen
Erfaßt, die welken Blätter von
den Zweigen
Hernieder in den fahlen Staub
gezittert.
Doch bei dem Schmerz, der
jetzt in mir gewittert,
Ist mir so frommes Mitleid
nicht mehr eigen,
Und ungerührt sah ich mit
finsterm Schweigen
Den Reiz der Flur verstoben
und zersplittert.
Die Blätter, die mein keimend
Glück gesehen,
Als süß der Frühling durch die
Welt geschauert,
O mögen sie verwelken und
verwehen!
Ihr Sinken wird von mir nicht
mehr betrauert,
Denn war auch kurz und
flüchtig ihr Bestehen,
Sie haben länger als mein
Glück gedauert.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Was
willst du mich mit frommem Trug bethören?
Was hältst du mich mit sanftem
Arm umfangen?
Die Zeit der Liebe ist ja doch
vergangen –
Was willst du ihr Gespenst
heraufbeschwören?
Wir können uns nicht fürder
angehören!
Mag glühend auch mein Herz
nach dir verlangen,
Der Kuß, den Mitleid haucht
auf meine Wangen,
Nicht trösten Kann er mich,
nein! nur empören.
Laß uns so kindisch, thöricht
nicht verfahren
Wie jenes Volk, das kalten
starren Leichen
Des Lebens Anschein suchte zu
bewahren.
Wenn Liebe starb, was soll der
Liebe Zeichen?
Ihr Herrlichstes, wir haben es
erfahren,
Jetzt laß mich dir die Hand
zum Abschied reichen.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Ich
denke manches Werk noch zu vollbringen;
Zum Bau, der einst soll in die
Wolken ragen,
Noch manchen festen Stein
herbeizutragen
Mit ernsten Fleißes lohnendem
Gelingen.
Auch manches Lied gedenk’ ich
noch zu singen,
Das leben soll in ferner
Zukunft Tagen,
Noch manchen Preis gedenk’ ich
zu erjagen
Und manchen Kranz noch um mein
Haupt zu schlingen.
Es ringt die Kraft, daß sie
sich kennen lerne,
Allein den finstern Feind
ringt sie nicht nieder,
Der siegreich herrscht auf
diesem Wandelsterne.
Und wenn ich dies erwäge,
scheint mir wieder
Das Streben Wahnwitz und ich
schlösse gerne
Im Tode meine müden
Augenlieder.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Zu
lange mied ich deine heil’ge Spur!
Zu lange hab’ ich, thöricht
und vwermessen
Des wehmuthvollen Liebeseid’s
vergessen,
Mit dem ich einst mich deinem
Dienste schwur.
Es rächte dich die Welt zu
bitter nur!
Sieh’s an den Thränen, die
mein Auge nässen.
Im Dunkel jener schattenden
Cypressen
Will ich dir klagen, was mir
widerfuhr.
Vergiß, daß ich dich jemals
konnte meiden!
Von langer Irrfahrt kehr’ ich
nun zurück,
Um nimmer, nimmermehr von dir
zu scheiden.
In dir vollende sich nun mein
Geschick!
Fahrt hin, der Erde
kümmerliche Leiden,
Und mehr noch du, des Staubes
nichtig Glück1
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 “In
den stillen Klostermauern wirst du enden!”
So ward mir einst gesagt; ich
schwieg betreten,
Dann aber lächelte ich des
Propheten
Und hing nur fester an des
Lebens Spenden.
Doch jetzt beginnt mein Sinn
sich oft zu wenden.
Nach jener Zuflucht, jener
einst verschmähten,
Und Sehnsucht fühl’ ich, dort
in Gluthgebeten
Des Herzens Flammen aufwärts
zu entsenden.
Ein Kloster träum’ ich mir am
Südenstrande,
Dicht an dem Meer, das groß
und unermessen
Emporrauscht bei des
Morgenrothes Brande.
Um’s Kloster einen Garten von
Cypressen
Uns Pinien, gleich einem
grünen Bande,
Und drinnen Ruhe, Stille und
Vergessen!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 I.
Weil mir die Gegenwart nicht
will behagen,
Und kummervoll mein Blick sich
von ihr wendet,
Glaubst du, ich sehne thöricht
und verblendet,
Zurück mich nach den
hingeschwund’nen Tagen?
O wahrlich, nein! nicht ihnen
gilt mein Klagen!
Wo ist das Herrliche, das sie
vollendet?
Den Hort der Menschheit haben
sie verschwendet,
Den Geist verfolgt und an das
Kreuz geschlagen.
Wem ließen sie ein anderes
Gedächtniß
Als das der Schmach,
selbstsüchtig niedern Strebens,
Und ihrer würdig, ist auch ihr
Vermächtniß!
Entsprang in ihrem Pfuhl nicht
das Gewürme,
Das giftig zehrt am Marke
unsers Lebens?
Sie säh’ten Wind – wir ernten
nun die Stürme!
II.
Wenn im Gebirg, auf fernen
Alpenhöhen
Wo nichts vernehmbar als der
Windsbraut Grollen,
Sich thürmen rings des Eises
blaue Schollen,
Schneewolken ihren Inhalt niederwehen;
Da ist es, ach! wie leicht
vorauszusehen,
Es werde von des Frühlings
Lust durchquollen,
Einst die Lawine donnernd
niederrollen,
Und Schreckenspfade der
Zerstörung gehen.
Mit vollem Rechte magst du vor
ihr zittern,
Verwüsten wird sie blüh’nde
Wiesenhänge,
Die Eichen wie die junge Saat
zersplittert.
Des Friedens Haus wird sie in
Trümmer schlagen,
Doch ist darum der Winter nur,
der strenge,
Und nicht der Hauch des
Frühlings anzuklagen.
III.
Die Schuld der Väter ist’s,
für die wir büßen.
So laßt den ernsten Tag der
Sühnung schalten;
Mag er auch qualvoll unser
Herz zerspalten,
Wir wollen ihn mit festem Muth
begrüßen.
Der eine Trost muß all’ sein
Leid versüßen;
Nichts hemmt den Geist in
seinem ew’gen Walten!
Was wir am theuersten und höchsten
halten
Ist Staub nur unter seinen
heil’gen Füßen.
Jetzt taugt es nicht, am
grünen Bergeshange,
Sich feindlich stille Hütten
zu erbauen.
Auf! gürt’ und rüste dich zum
Pilgergange.
O keinen Blick zurück auf die
Ruinen!
Verachtend lerne auf das Ird’sche
schauen,
Dann werden Engel nahen und
dir dienen.
(Elisabeth
Glück) an
Frau von P. O.
1815 – 1894
Die Nacht der Weihe war
herangekommen,
Sie fand mich einam in dem
fremden Land;
Am Christbaum glühte bunter
Lichter Brand,
Allein für mich war keines
angeglommen.
Und wie ich nun so traurig und
beklommen,
Die eig’ne Einsamkeit
ermessend, stand,
Da kam die Sendung deiner
lieben Hand
Und hat den Gram mir
schmeichelnd abgenommen.
Wie froh hielt ich den Blick
darauf gekehrt!
Wie freut’ ich mich der
anmuthsvollen Gaben,
Die du aus deiner Ferne mir
bescheert!
Wie ließ ich Aug’ und Herz
daran sich laben,
Und in der Fremde, in der
öden, kalten,
Wie nahe fühlt’ ich deiner
liebe Walten!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 I.
Der Name Petrus ward mit Recht
der Deine,
Du starker Fels im
sturmdurchwühlten Meer!
Du treuer Hüter heiliger
Altäre!
Druide du, in dem geweihten
Haine!
Wenn Lüge und Verkehrtheit im
Vereine
Sich frevelnd wagen an die
reine Lehre,
Da stehst du ein für deines
Glaubens Ehre,
Im Kampfe niederschmetternd
das Gemeine.
Wie ein Gebild aus längst
versunk’nen Tagen,
Wo lodernd der Begeist’rung
Flamme brannte,
Seh ich dein Bild in hehrer
Größe ragen.
Und wer, gleich mir, dein
tiefstes Sein erkannte,
Nach deinen Ahnen wird er
nicht mehr fragen;
Ich kenne die Ezechiel und Dante!
II.
Im Paradies, als noch im
grünen Laube
Der Apfel blinkte, den uns
Gott verwehrte,
Da war der kühne Leu des
Lamm’s Gefährte,
Der Adler koste freundlich mit
der Taube.
Der Schwache ward dem Starken
nicht zum Raube,
Die Größe wußte nichts von
Stolz und Härte;
Die fromme Mähr’, die mich die
Mutter lehrte,
Wie ich nun wieder freudig an
sie glaube!
Den tiefen Sinn der
deutungsvollen Mythe
Wie sollt ich ihn bezweifeln
und verneinen,
Da sie in meinem Leben neu
erblühte!
Kein dunkles Räthsel kann sie
mir mehr scheinen,
Seit du, Gewalt’ger! dich voll
milder Güte
Zu mir herabgeneigt, der
Schwachen, Kleinen.
(Elisabeth
Glück) An M.
1815 – 1894
Als Kind vernahm ich oft die
Märchenkunde,
Die ich mit kind’schem Grauen
nachgelallet:
Sobald vom Thurm die zwölfte
Stunde schallet
Beginnet der Gespenster
Lebensstunde.
Da halten sie die schauerliche
Runde
Von ihrem weißen Sterbekleid
umwallet,
Bis licht Gewölk, das sich im
Osten ballet,
Zurück sie scheucht um dunkeln
Kirchhofsgrunde. –
Doch Manche sind wohl nicht so
fest gebunden
An dieser Vorschrift strenge
Observanz,
Und dürfen wandeln zu
belieb’gen Stunden.
Und so ward dir’s, dem armen
Menschenwracke,
Beschieden bei des Mittags
hellem Glanz,
Herumzuirren, ein Gespenst im
Fracke.
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Es
warnen mich streng gläub’ge Apostolen:
„Noch ist das Leben dir ein
Festgelage;
„Wie aber einst, wenn deines
Sommers Tage
„Dahin geschwebt auf allzu
flücht’gen Sohlen?
„Wenn deine Flammen einst zu
todten Kohlen
„Geworden, deine Kraft zur
eitlen Sage?
„Wenn die vermeintlich schon
gelöste Frage
„Dich neu bestürmt, wo willst
du Trost dir holen?“
Vielleicht bei Euch! wer weiß
es anzugeben.
Auf welche Krücke seine Wahl
wird fallen,
Wenn seinem Geiste Muth und
Kraft entschweben?
D’rum ist es auch mein
liebster Wunsch von allen,
Zu enden ein sich selbst
getreues Leben
So lang noch dunkel meine
Locken wallen!
(Elisabeth
Glück)
1815 – 1894 Es
gibt ein Glück, vom Weibe nur empfunden:
In Liebe
sich so gänzlich zu versenken,
Daß
für sein Handeln, Dulden, Fühlen, Denken
Fortan
der Schwer- und Ruhepunkt gefunden!
Dem
Manne, dem es innig sich verbunden,
Der
besten Güter reichstes Maß zu schenken
Und
drauf den Zweck des Dasein zu beschränken
An
allen Orten und zu allen Stunden!
Solch
treue Liebessorge kann sich zeigen
In
mancherlei verschiedenen Gestalten,
In Tat
und Wort, ja selbst in mildem Schweigen.
Doch
heilig ist sie stets und hoch zu halten,
Mag
als Maria sie dem Geist sich neigen,
Als
Martha im Bereich des Hauses walten.